Jonas Andrulis, Gründer von Aleph Alpha, gilt als einer der Hoffnungsträger, wenn es darum geht, Künstliche Intelligenz in Deutschland und Europa als wichtigste Schlüsseltechnologie zu etablieren. Wir haben im Interview mit ihm über den Weg zu einer Künstlichen Intelligenz auf Weltrang-Niveau gesprochen.
Wie kann Europa die KI-Revolution mitgestalten?
Aktuell konsolidiert sich das Wissen um eine neuartige KI-Technologie geprägt durch extrem große Modelle für Sprache (GPT-3) und Multimodalität (DALL-E2) in den USA und China. Einsatzmöglichkeiten dieser Modelle sind transformativ: informationsbasierte Wertschöpfungsprozesse können neu gedacht werden – eine neue industrielle Revolution entsteht und diese neue KI wird als Basistechnologie enorme Bedeutung einnehmen. Es besteht die Gefahr, dass Deutschland und Europa lediglich Kunden der US-Innovatoren oder Chinas werden. Dies würde uns die Möglichkeit nehmen, den bevorstehenden Wandel mitzugestalten. Um einen weiteren digitalen „Sputnik-Moment“, wie bei z.B. Cloud-Diensten zu vermeiden, müssen Deutschland und Europa die KI-Revolution proaktiv und souverän mitprägen. Nur die technische Kompetenz, moderne KI-Technologie zu entwickeln und in die Anwendung zu bringen, versetzt uns in die Lage einen entscheidenden Beitrag zur Lösung der größten Herausforderungen der Menschheitsgeschichte wie z.B. dem Klimawandel zu leisten und die Zukunft mitzugestalten.
Wo liegen die größten Hürden in Europa, wenn es um den Anschluss an China und USA geht?
Unsere Hochschulen sind nach wie vor Weltklasse für KI, doch viele der besten Absolventen gehen in die USA oder zu US-Unternehmen. Das liegt nicht nur an der kalifornischen Sonne, sondern an den Möglichkeiten und Projekten. Spitzenforscher wollen die Welt verändern und in einem brillanten Team die großen Themen unserer Zeit angehen. Diese Projekte gab es in Europa in den letzten Dekaden deutlich weniger, Investoren, Unternehmen und Politik haben oft kleinere Schritte mit kürzerem Zeithorizont optimiert. Jetzt, wo wir diese Möglichkeiten hier schaffen – nicht nur bei Aleph Alpha, gewinnen wir Spitzenforscher und Ingenieure aus den USA und der Welt und holen sie nach Heidelberg. Jetzt dürfen wir uns nicht abhängen lassen, und weiter mutig und strategisch denken.
Wie kann Europa technologische Souveränität erreichen und wie könnte "KI Made in Europe" aussehen?
Technologische Souveränität bedeutet, die eigene Zukunft selbstbestimmt gestalten können. Das beginnt bei der Funktion von KI: Die US-Firmen modifizieren KI gemäß den dort herrschenden Vorstellungen und Werten, und auch wenn wir uns mit den USA oft einig sind, wünsche ich mir die Option, selbst zu handeln. Ein weiterer wesentlicher Aspekt von Souveränität ist die Kontrolle über die Wertschöpfung. Die von einer neuen KI-Generation erzeugte ökonomische Wertschöpfung ist eine notwendige Voraussetzung, um die kulturellen und sozialen Implikationen der KI-Revolution zum Wohle der Menschen mitzugestalten. Wenn Europa US-Kunde bleibt, dann werden wir signifikante Teile der Wertschöpfung abgeben.
Welche Forderungen haben Sie an Politik, Wirtschaft und Gesellschaft?
Der bevorstehende Wandel bedarf eines kontinuierlichen, von höchster politischer Ebene aus geführten Dialoges mit Wirtschaft und Gesellschaft. Wir haben alle Voraussetzungen: Akademische Exzellenz, brillante Forschende, Ingenieurinnen und Ingenieure mit Tatendrang, finanzielle Mittel und Unternehmen in strategischen Positionen mit Handlungsspielraum. Dennoch gewinnt man häufig den Eindruck, dass Risikoaversion und (oft berechtigte) Kritik den notwendigen Fortschritt verlangsamen. Ich wünsche mir, dass wir uns von dem Wunsch nach kritischem Hinterfragen und sorgsamen und korrektem Vorgehen nicht die Gestaltung der Zukunft verstellen lassen.
Vielen Dank für das Interview!
Über Jonas Andrulis
Jonas Andrulis begann als Teenager mit Softwareentwicklung und entwickelte schnell eine Faszination für Mathematik und Strukturen. Nach einem Studium des Wirtschaftsingenieurwesens am KIT in Karlsruhe und einer Thesis zu Bayes-Netzwerken war er als Berater in dem Bereich KI und Modellierung tätig. Er gründete erfolgreich zwei KI-Softwareunternehmen: Das erste zur Planung und Optimierung von Logistik, das zweite um Human-in-the-loop das Training und die Validierung von Deep Learning Algorithmen im Zusammenspiel von Mensch und Maschine zu optimieren. Nach drei Jahren als Engineering Manager für KI-Forschung in Apples Special Projects Group und später Siri gründete er 2019 mit Aleph Alpha in Heidelberg erneut das dritte KI Start-Up. Seitdem hat Aleph Alpha insgesamt 28 Mio. Euro von einigen der besten europäischen Deep-Tech Investoren eingesammelt mit dem Ziel unabhängige KI-Spitzenforschung zu etablieren und Basistechnologie für eine neue Art von KI Wertschöpfungsprozess zu betreiben.
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