2017 in München gegründet, hat das Start-up inveox um Maria und Dominik Sievert den Probeneingang in der Histopathologie nachhaltig optimiert. Die beiden begegneten sich erstmals in unserem Stipendienprogramm Manage and More. Dabei teilten sie die Erkenntnis, dass Krebsdiagnosen in Pathologielaboren sehr fehleranfällig waren. Das Duo entwickelte daraufhin eine Digitalisierungs- und Automatisierungslösung für den Probeneingang in Pathologielaboren, mit der Krebsdiagnosen nicht nur schneller, sondern auch präziser und zuverlässiger vorgenommen werden können: Alle diagnoserelevanten Informationen zu entnommenen Gewebeproben werden auf einer Online-Plattform dokumentiert. Der inveox-Automat scannt, fotografiert und analysiert die Probe und bereitet sie für die weitere Verarbeitung vor. So wird mittels Big Data und Künstlicher Intelligenz eine personalisierte und feinschichtige Diagnostik ermöglicht, Fehldiagnosen werden minimiert und Kosten eingespart. Wir haben mit Maria und Dominik Sievert, die sich in unserem Entrepreneurship-Stipendium Manage and More kennen gelernt haben, über ihren Weg zum eigenen Unternehmen gesprochen.
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1. Was waren die größten Herausforderungen auf eurem Weg zum eigenen Start-up?
Auf dem Weg zu dem Start-up, das wir heute sind, hatten wir jede Menge Hürden zu überwinden, aber wir haben eben so viele Meilensteine gefeiert. Vor einer zentralen Herausforderung standen wir gleich zu Beginn, als es darum ging, die richtigen Investoren zu finden. Hier ist sehr viel mehr wichtig als „nur” der finanzielle Aspekt. Einen Geldgeber zu mobilisieren, ist im sehr lebendigen Start-up-Umfeld um München herum nur eine mittelschwere Herausforderung – aber Venture Capitalists zu finden, die die passenden Werte vertreten, eine ähnliche Vorstellung von der Zusammenarbeit haben und in fachlicher, strategischer sowie menschlicher Hinsicht zum Unternehmen passen, ist eine weitaus größere Aufgabe. Deshalb sind wir besonders dankbar darüber, dass uns dies gelungen ist. Wir haben Investoren an unserer Seite, die für uns gleichermaßen Berater, Partner und enge Vertraute sind.
Nächste Challenge: Teamzusammenstellung. Mit einer großen Idee und einem Handelsregistereintrag allein kommt man nicht weit. Die Aufgaben, die vor uns lagen, waren vielschichtig, und wir brauchten ein Team aus Fachleuten an unserer Seite. Auch hier waren unsere Ansprüche hoch. Uns ist die persönliche Vielfalt unseres Teams ebenso wichtig wie die fachliche. Wir gingen auf die Suche nach Talenten, nach Menschen mit einer Leidenschaft für Innovation, die unsere Werte teilen. Wir wollten junge Menschen, die am Puls neuester Technologien forschen, mit Älteren verbinden, die dank ihrer langjährigen Erfahrung Talente und Ideen kanalisieren und die jungen Teammitglieder als Mentoren fördern können. Wir sind beide stolz auf das starke, multikulturelle Team, das wir nun um uns haben: rund 90 fest angestellte Expertinnen und Experten mit Vision und Weitsicht aus 30 Nationen in Vollzeit sowie mehrere Teilzeitkräfte und studentische Kräfte renommierter Universitäten.
Der Aufbau des Unternehmens an sich war auch eine der großen Herausforderungen, da wir uns beide in relativ kurzer Zeit in eine große Vielzahl an Bereichen einarbeiten mussten. Die Komplexität der Aufgaben nimmt auch mit der sukzessiven Einstellung von Fachleuten und der Skalierung eines schnell wachsenden Start-ups nicht ab – aber das ist auch das Spannende am Start-up-Alltag: Kein Tag ist wie der andere, von Arbeitsalltag im Sinne einer planbaren Konstante können wir kaum sprechen. Unser Alltag besteht aus Aufs und Abs mit sehr viel Bewegung und mitunter großen Amplituden. Mit der Zeit lernt man jedoch, die Veränderung als Konstante im Start-up-Leben nicht nur zu akzeptieren, sondern sogar zu schätzen: Man wird flexibler, nimmt die Dinge gelassener und kann seinen Aufgaben mit mehr Ruhe und Fokus nachgehen.
2. Auf welche Meilensteine blickt ihr inzwischen zurück?
Große Meilensteine konnten wir in den letzten Jahren eine Menge feiern. Da waren drei erfolgreiche Finanzierungsrunden, die uns die Entwicklung und die Markteinführung unserer Digitalisierungs- und Automatisierungslösung für den Probeneingang in der Histopathologie ermöglichten. Da war der Aufbau unseres Teams mit einer steilen Wachstumskurve – 2017 starteten wir zu zweit – heute, nur drei Jahre später, arbeiten über hundert kluge Köpfe gemeinsam an unserer Lösung. Da war die Eröffnung unserer Tochtergesellschaft in Polen 2018 und einer zweiten Niederlassung in den USA im Frühjahr 2020. Auch ein wichtiger Meilenstein: Der Aufbau eines großen Netzwerks und zahlreicher Partnerschaften in der Start-up-Szene sowie in der Medizin- und Med-Tech-Branche und die immer intensivere Zusammenarbeit mit Expertinnen und Experten aus renommierten Universitätskliniken im Rahmen von Forschungs- und Entwicklungspartnerschaften. Nicht zuletzt sind wir stolze Gewinner einer ganzen Reihe an Auszeichnungen und Awards – unter anderem wurden wir vom Magazin Für-Gründer zum „StartUp des Jahres 2017“ gekürt, schafften es auf die Forbes Liste der „Vielversprechendsten Startups 2018“ und waren unter den Finalisten des Deutschen Innovationspreises 2019.
3. Was bedeutet es für euch, ein Unternehmen zu führen?
Eine besondere Herausforderung war und ist für mich die Tatsache, dass man als Gründerin oder Gründer gerade in den Anfangsjahren des Start-up-Daseins sehr viele Rollen gleichzeitig spielt. Du bist ein Business-Chamäleon, das sich im Zustand des permanenten Farbwechsels befindet: Als CEO stehst du vor der großen Aufgabe der Unternehmensführung; gleichzeitig arbeitest du an der Finanzierung und am Büroaufbau. Du bist Recruiter und führst Bewerbungsgespräche. Zwischendurch stellst du dein Unternehmen bei einem Med-Tech-Panel vor. Dann tauchst du in die Welt des Vertragsrechts ein, setzt dich mit Beteiligungsverträgen auseinander und erstellst Arbeitsverträge, bis ein Marketing-Flyer zur Korrekturlesung auf deinen Schreibtisch flattert. Und gleichzeitig bist du ja auch immer noch ein Mensch, der vor den täglichen Unwägbarkeiten und Herausforderungen des Lebens steht. Als Start-up-Gründerin bzw. -Gründer ist man multifunktional und jongliert vieles gleichzeitig – man muss maximal flexibel sein und immer bereit für die nächste Herausforderung – auch weit über den Feierabend hinaus und ins Wochenende hinein. Es ist immer der ganze Mensch gefordert; ein Start-up zu führen und weiterzuentwickeln ist definitiv kein Hobby, sondern eine Lebensaufgabe. Inzwischen haben wir uns in diese Rolle sehr gut hineingefunden und möchten gerade diese Vielseitigkeit an unserer Arbeit nicht mehr missen.
4. Was ratet ihr Gründerinnen und Gründern, die mit ihrer Geschäftsidee noch am Anfang stehen?
Geht mit offenen Augen durch die Welt, haltet Ausschau nach Menschen, die Erfahrung haben und bereit sind, ihr Know-how weiterzugeben. Baut euch ein Netzwerk auf, nehmt Unterstützung an und lasst euch beraten. Wir begegnen täglich so vielen Menschen, die uns inspirieren und weiterbringen können. Seid offen, hört den Leuten zu – man weiß nie, ob der Mensch vor einem in der Supermarktschlange sich als der perfekte Investor herausstellt, oder ob die Sitznachbarin in der U-Bahn die Softwareentwicklerin ist, die man schon lange sucht.
Am Allerwichtigsten: Glaubt an eure Ideen, folgt eurem Herzen und eurer Leidenschaft und nutzt eure Talente dazu, das zu tun, was ihr wirklich tun wollt.
5. Wie schätzt ihr die Chancen für Start-ups in Zukunft ein – gibt es hier positive Entwicklungen?
Deutschland ist aus unserer Sicht ein ausgesprochen gründungsfreundliches Umfeld mit einem stabilen Ökosystem und einem enorm großen Portfolio an Entwicklungsprogrammen für Start-ups. Für Hightech-Start-ups wie inveox ist natürlich gerade der Standort München mit seinem breit gefächerten Netzwerk aus Branchenexperten, führenden Konzernen wie BMW und Technologie-Forschungszentren besonders attraktiv. Für die nähere Zukunft rechne ich mit einer positiven Entwicklung im Start-up-Umfeld und gerade im Healthcare- und Health-Tec-Bereich mit einem starken Gründungszuwachs. Die Branche ist durch den Vormarsch der Digitalisierung so stark im Wandel wie nie zuvor, und das Innovationspotenzial, das sich aus dem Aufeinandertreffen von Technologie und Medizin ergibt, können wir heute nur erahnen. Medizintechnik, insbesondere in Kombination mit Digitalisierung, Automatisierung und, auf lange Sicht auch AI/Machine Learning, erschließen Möglichkeiten im Gesundheitswesen, deren Nutzungspotenzial selbst die Fachwelt erst zu erfassen beginnt. Insofern bin ich sehr gespannt auf viele innovative Ideen, neue Impulse und Perspektivenwechsel und freue mich auf den Austausch mit neuen Unternehmerkolleginnen und -kollegen innerhalb und außerhalb unserer Branche.
Herzlichen Dank für das Interview!