Julia Davin ist Ingenieurin im Bereich KI und Mitgründerin des Münchner KI-Unternehmens Masterplan Engineering. Zusammen mit ihrem Mann Alexandre bietet sie maßgeschneiderte Softwarelösungen und Beratung in fast allen Bereichen der künstlichen Intelligenz. 2020 waren sie die Host Entrepreneure von Virginie Bezot, die im Rahmen des Programmes Erasmus for Young Entrepreneurs für sechs Monate bei Masterplan Engineering mitgearbeitet hat. Im Interview spricht Julia von ihren eigenen Erfahrungen als Gründerin und nicht zuletzt als gastgebende Unternehmerin des Erasmus for Young Entrepreneurs-Programmes.
Julia, bitte erzähle uns mehr über dich und deinen unternehmerischen Hintergrund.
Nach meinem Abitur habe ich zunächst Betriebswirtschaftslehre studiert. Da ich schon immer eine Leidenschaft für Mathematik und Technik hatte, entschied ich mich, ein technisches Zweitstudium zu absolvieren und Ingenieurin zu werden.
Zusammen mit meinem (späteren) Mann Alexandre habe ich Ende 2017 Masterplan Engineering gegründet, ein Tech-Unternehmen, das sich auf die Implementierung von KI-basierter Software spezialisiert hat. Zu Beginn haben wir projektbasierte KI-Lösungen angeboten. Mitte 2019 begannen wir mit der Entwicklung einer einsatzbereiten Predictive-Maintenance-Technologie, die seit Anfang 2020 erstmals in Unternehmen eingesetzt wird.
Wie hast du diese Marktnische identifiziert und was reizte dich daran?
Die Entdeckung der Marktlücke lief für mich eher emotional als rational ab: Während meines Masterstudiums habe ich in einem Skript über IT-Systemarchitekturen ein Kapitel über neuronale Netze gelesen. Ich war unglaublich fasziniert von der Idee, das menschliche Gehirn, "das Feuern der Synapsen" mit mathematischen Modellen nachzubilden. Ich kann sogar behaupten, dass es das erste Mal in meiner Schul- und Universitätslaufbahn war, dass mich ein Thema so sehr faszinierte, dass es mich nicht mehr losließ. Von diesem Zeitpunkt an war für mich klar, dass ich im Bereich der Künstlichen Intelligenz arbeiten wollte. Später hatte ich dann das Glück, dass KI in aller Munde war und von da an als Zukunftstechnologie galt.
Der Grund, warum ich mein eigenes Unternehmen gegründet habe, ist, dass es mir erlaubt, meine kreativen Lösungsideen umzusetzen, auch wenn sie verrückt sind. So kann mich niemand bei der Suche nach Lösungen bremsen, nur ich selbst kann mich bremsen. Das unternehmerische Risiko habe ich gerne in Kauf genommen, um die Freiheit zu haben, meine Kreativität mit mathematischer Logik zu verbinden.
Welches Tool-Set hast du benötigt, um deine Ziele zu erreichen?
Konkret vorbereitet habe ich mich nicht. Ich bin eigentlich erst nach und nach zur Unternehmerin geworden. Ich komme aus einer gründungserfahrenen Familie, das heißt, ich habe schon als Kind verstanden, was es heißt, eine eigene Firma zu führen. Außerdem habe ich schon während meines Studiums freiberuflich gearbeitet.
Das Wissens-Toolset, von dem ich profitiert habe, waren die Fähigkeiten, die ich während meines BWL-Studiums erworben habe. Hier lernte ich alles Wichtige über Wirtschaftsrecht, Buchhaltung, Steuern, Marketing und Controlling. Mein technisches Wissen befähigte mich, Algorithmen für maschinelles Lernen und KI zu entwickeln.
Mein mentaler Werkzeugkasten bestand aus einer guten Portion Risikobereitschaft und Begeisterung für meine Arbeit. Ich brenne für künstliche Intelligenz und liebe es, mir neues Wissen anzueignen.
Im Grunde hat sich mein Toolset seit 2017 ständig erweitert, ich lerne viel und bin offen dafür, meinen Werkzeugkasten kontinuierlich zu erweitern.
Vor welchen besonderen Herausforderungen standest du als Unternehmerin im Vergleich zu deinen männlichen Kollegen?
Im Moment stellen sich keine speziellen Hürden mehr für mich als Unternehmerin. Aber ich kann mich an Situationen erinnern, in denen das nicht der Fall war. In meinem technischen Studium hatte ich durchaus das Gefühl, dass mich Kommilitonen oder Dozenten nicht ernst nahmen. Ich habe Diskriminierung dir Männern erlebt, die in mir eine Konkurrentin sahen.
Heute ist das anders: In meiner täglichen Arbeit habe ich viele Gespräche mit Kunden und Industriepartnern. Wir arbeiten mit Maschinenherstellern und Produktionsbetrieben; in diesen Meetings bin ich im Grunde die einzige Frau und meist 20 oder 30 Jahre jünger als meine Kollegen. Dabei habe ich aber nie das Gefühl, nicht ernst genommen zu werden. Im Gegenteil, ich fühle mich in Meetings über technische Inhalte sehr respektiert. Aber ich würde mich sehr freuen, mit mehr Frauen zu arbeiten.
Deine Forschungsergebnisse wurden kürzlich in einem Buch veröffentlicht. Worum geht es in deinem Kapitel genau?
Meine Forschung wurde in einem Sammelband mit dem Titel "Digitale Bildung und Künstliche Intelligenz in Deutschland" veröffentlicht. Ein Thema, das derzeit sehr präsent und wichtig ist.
Mein Spezialgebiet unter dem Kapitelnamen "Die Moral der Maschinen - Können neuronale Netze ethische Prinzipien lernen?" zeigt die Schwierigkeit auf, die eine Maschine hat, wenn sie versucht, die Moral von Menschen aus ihrer Umgebung aufzunehmen und auf einer ethischen Skala einzuordnen.
Ich denke, das Thema Moral in Künstlicher Intelligenz wird in den nächsten Jahren noch wichtiger werden. Ich hoffe, dass sich die Forschung intensiv mit dieser Frage beschäftigen wird. Es ist eine Frage, die unter Berücksichtigung vieler Faktoren wie technische Machbarkeit, Philosophie und Ethik behandelt werden muss. Da Maschinen zunehmend Entscheidungen treffen und diese Entscheidungen auch moralisch geprägt sind, ergibt sich die Notwendigkeit einer moralisch getriebenen KI.
Die Frage ist auch, welche moralischen Richtlinien wir einer Maschine auferlegen. Feldversuche haben gezeigt, dass das menschliche Verhalten in der Regel von ethischen Grundsätzen abweicht. Die Schlüsselfrage ist hier: Auf welcher moralischen Grundlage sollten wir eine ethische KI trainieren?
Welchen Rat möchtest du ambitionierten Gründenden gerne mitgeben?
Es gibt zwei Dinge, die ich angehenden Gründerinnen und Gründern raten würde: Bleibt neugierig und gebt niemals auf!
Als Unternehmerin oder Unternehmer steht man fast jeden Tag vor neuen Herausforderungen, und taucht in Themen ein, die einem ganz neu sind. Das ist eine große Chance, vieles zu lernen. Um sich das nötige Wissen anzueignen, müsst ihr neugierig und offen bleiben. Habt keine Angst, eure Komfortzone zu verlassen.
Erfolgsgeschichten wie die von Mark Zuckerberg und Facebook suggerieren oft, dass man einfach nur eine gute Idee haben muss, um Millionen damit zu verdienen. Doch der Weg von der guten Idee zu einem soliden Geschäftsmodell ist meist nicht so glamourös, sondern harte Arbeit. Und es wird Zeiten geben, in denen ihr falsch liegen werdet. Deshalb hier mein Rat: Lernt aus den schwierigen Phasen und macht weiter. Das lässt euch wachsen und stärkt euch als Unternehmerinnen und Unternehmer.
Letztes Jahr war Masterplan Engineering Teil des Programms "Erasmus Young Entrepreneurs" als gastgebendes Unternehmen. Wie habt ihr von diesem Austausch profitiert?
Ich freue mich sehr, dass wir an diesem Programm teilnehmen konnten. Wir konnten eine neue Perspektive auf unsere Abläufe gewinnen. Wenn man lange an spezifischen technischen Details eines Produkts arbeitet, neigt man dazu, den Markt mit einer technischen Brille zu betrachten. Ein Blick von außen kann da nur bereichern. Als deutsch-französisches Gründungspaar verstehen wir uns als europäisches Unternehmen und sind daher froh, internationale Kompetenzen in unserem Team zu haben.
Gemeinsam haben wir den französischen Markt analysiert, eine Marktstudie durchgeführt und strategische Ziele definiert. Darüber hinaus konnten wir bereits mit sehr interessanten französischen Leads in Kontakt treten.
Ich persönlich bin sehr froh, eine so engagierte Unternehmerin aus Frankreich kennengelernt zu haben und mit ihr gemeinsam neue Ideen zu entwickeln.
Vielen Dank für das Interview!
Über Masterplan Engineering:
Masterplan Engineering arbeitet eng mit europäischen Spitzenuniversitäten zusammen und stellt die Teams mit der richtigen Expertise für die jeweiligen Herausforderungen ihrer Kundschaft zusammen: vom ersten Entwurf bis zur fertigen Lösung, denn jedes Projekt erfordert ganz spezifische Kompetenzen.
Lest auch unser Interview mit Gründerin Virginie Bezot!