Das Accelerator-Programm RESPOND von UnternehmerTUM und der BMW Stiftung Herbert Quandt unterstützt Start-ups auf der ganzen Welt dabei, nachhaltige Geschäftsmodelle zu beschleunigen, Innovationen voranzutreiben und ihr Unternehmen verantwortungsvoll zu führen. Wir wollten von Program Managerin Julia Rohblick wissen, wo die internationale Start-up-Szene beim Thema Kreislaufwirtschaft steht und wie Konzepte dazu ins eigene Geschäftsmodell integriert werden können.
Bitte stelle dich kurz vor: Wer bist du und was ist deine Rolle bei RESPOND?
Hi, ich bin Julia und bin seit ca. eineinhalb Jahren bei UnternehmterTUM als Program Managerin für den Impact Accelerator RESPOND verantwortlich. Ursprünglich habe ich Jura und VWL studiert und Erfahrungen in wachstumsstarken Tech-Start-ups und im Bereich Corporate Innovation gesammelt. Dabei war ich von der Art und Weise, wie Geschäftsaktivitäten vollzogen wurden - hyperschnelles Wachstum und kurzfristige Profitmaximierung - nicht überzeugt. Ich suchte nach einem ganzheitlichen Ansatz zur Lösung globaler Herausforderungen und habe mich daher während meines Masterstudiums an der Nova SBE auf Nachhaltigkeit und Social Entrepreneurship spezialisiert und zudem als Probono-Beraterin für NGOs und Social Start-ups gearbeitet. Bei TechFounders und UnternehmerTUM treibe ich Nachhaltigkeitsthemen voran und sorge für den reibungslosen Ablauf des RESPOND Accelerators.
Ich beschäftige mich vor allem mit der Suche nach den richtigen Start-up-Lösungen und -Teams, die ein großes Potenzial zur Veränderung des Systems haben und eine zirkuläre und regenerative Zukunft fördern. Ich stehe den Gründenden im Prozess der Skalierung bei und versuche für sie in unserem Ökosystem die bestmöglichen Anknüpfungspunkte für Synergien zu finden.
Bei RESPOND fördert ihr nachhaltige Geschäftsmodelle auf der ganzen Welt. Könnt ihr einen Trend speziell zur Kreislaufwirtschaft beobachten?
Wir sehen uns seit mehreren Jahren nachhaltige Geschäftsmodelle weltweit an und konnten vor allem in der letzten Zeit einen starken Trend zur Kreislaufwirtschaft beobachten.
Zwar dominieren immer noch viele “nachhaltige” oder “grüne” Start-ups den Markt, die versuchen, Prozesse oder Produkte effizienter zu gestalten und somit auch Ressourcen einsparen. Jedoch wird der Anteil der grünen Start-ups, die auf nachhaltige Transformation von Industrien fokussiert sind und somit auf die Kreislaufwirtschaft einzahlen, immer größer. Besonders trendig im Bereich der Kreislaufwirtschaft ist der Alternative Materials Space - also Start-ups, die am Anfang der Wertschöpfungskette ansetzen. Hier entstehen zum einen ganz neue, innovative Materialien, die z.b. vollkommen biologisch abbaubar sind - frei von Verschmutzung und Abfall - basierend auf Ansätzen wie Waste-to-Resource, wie z.B. unser Programm-Start-up traceless. Andere fokussieren sich dabei eher auf den Wiederverkauf von Materialien, die bereits im Umlauf sind, um den Lebenszyklus zu verlängern. Um zirkuläres Inputmaterial großflächig zugänglich zu machen, stützen sie sich oft auf das Marktplatz-Konzept, z.B. die Start-ups cirplus und Concular.
Warum wird das Thema immer wichtiger für Start-ups?
Aus ökologischer Sicht befinden wir uns momentan an einem entscheidenden Punkt. Themen wie Ressourcenknappheit, die Zerstörung der Ökosysteme und die steigende Konzentration von Treibhausgasen zu unseren größten wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Herausforderungen, denen wir uns stellen müssen.
Daher entwickeln wir uns aktuell sehr stark zu einer nachhaltigeren und klimaneutralen Wirtschaft. Nachhaltigkeit ist also kein Nischenthema mehr. Durch Druck von externen Interessengruppen wie Regulatorik, Konsumentinnen und Konsumenten oder Kapitalgebenden, wird das Thema für Unternehmen jeglicher Branche und Größe relevant und somit auch für Start-ups. Die Kreislaufwirtschaft spielt dabei eine entscheidende Rolle, da sie ein Enabler sowohl für Nachhaltigkeit als auch Klimaneutralität ist. Sich als Start-up zirkulär entlang der Wertschöpfungskette aufzustellen oder - besser noch - Innovationen voranzutreiben, die es etablierten Unternehmen ermöglichen, zirkulärer zu werden, birgt große Zukunftschancen. Je früher sich ein Start-up damit beschäftigt, desto einfacher ist es, zirkuläre Prinzipien entlang der eigenen Wertschöpfungskette zu integrieren. Dabei geht es nicht nur um Risikominimierung, sondern vorallem auch um Attraktivität für Kapitalgebende. Letzten Endes zahlt es sich ebenfalls finanziell aus, da langfristig Kosten gesenkt und der Langzeitwert von Produkten gesteigert wird.
Wie integrieren Start-ups Ziele zur Kreislaufwirtschaft am besten in ihr Geschäftsmodell?
Start-ups, die sich bislang noch nicht mit dem Thema auseinandergesetzt haben, sollten sich in einem ersten Schritt mit allen Begrifflichkeiten und der Wissenschaft dahinter beschäftigen. Darauf macht es Sinn einen Deep Dive in die eigene Wertschöpfungskette zu machen, um herauszufinden, wo man an welchen Hebeln drehen kann - gestartet mit dem Produktdesign, über Produktion, Nutzung, Wiederverwendung und Recycling. Man versucht also Ziele entlang der Wertschöpfungskette zu definieren, die ein möglichst großes Potenzial bieten wie zum Beispiel:
Wechsel zu zirkulärem Produkt Design
Verwendung von ressourcensparenden Input
Produktnutzung optimieren z.B. durch Sharing-Angebote
Lebensspanne von Produkten maximieren durch Reparatur
Sammlung, Wiederverwendung oder Recycling von Produkten
Dabei sollte man vor allem darauf achten, mit kleinen Projekten anzufangen und schrittweise vorzugehen. Der Fokus auf ein Ziel sollte von Anfang an vor der Produkt-Datensammlung oder dem Product-Tracking liegen, damit Transparenz herrscht, wie lange und wo die Produkte genutzt werden, um sie durch reverse Logistik wieder in die Lieferkette zurückzuholen.
Was können Politik, Wirtschaft und Gesellschaft tun, um die Kreislaufwirtschaft voranzutreiben?
Auf politischer Ebene sollte ein einheitlicher und bindender politischer und rechtlicher Rahmen geschaffen und kommuniziert werden, vor allem, was die Themen Standardisierung, Definitionen und Kriterien für zirkuläre Produkte angeht. Auch über die Einführung eines Mindeststandards für die Rückgewinnung von Produkten und Rezyklatanteilen in Endprodukten ist nachzudenken.
Auf sozialer und gesellschaftlicher Ebene spielen Bildungs- und Wissenstransfer sowie Weiter- und Fortbildungen eine zentrale Rolle. Von Schulen über Universitäten bis hin zu Arbeitgebern und Industrien - es müssen Weiterbildungsoptionen zu dem Thema vorhanden sein, so dass ein breites Umdenken stattfinden kann.
Auf wirtschaftlicher Ebene wäre vor allem die Etablierung von Industrie-Allianzen für die Kreislaufwirtschaft sowie die Schaffung von übergreifenden Innovationsräumen sinnvoll. Wenn verschiedene Akteure wie Start-ups, etablierte Corporates und Familienunternehmen entlang der Lieferkette zum Austausch zusammenkommen, kann die Entwicklung und Skalierung von Kreislauf-Geschäftsmodellen deutlich erleichtert werden.
Letzten Endes ist es jedoch wichtig, dass alle Ebenen sich untereinander austauschen, voneinander lernen und zusammenarbeiten. Denn nur Hand in Hand ist eine Transformation möglich.
Vielen Dank für das Interview!